Neben praktischen Fragen zu Steuern, einer Krankversicherung oder einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis spielen Aspekte rund um das Thema Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag international tätiger Künstler*innen, Kreativer und Kulturveranstalter*innen zunehmend eine Rolle. Denn mit der Globalisierung, dem immer selbstverständlicher werdenden internationalen Austausch und der damit einhergehenden Mobilitätssteigerung, werden Fragen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, zu umweltbewusstem Reisen und ressourcenschonendem Arbeiten für die*den Einzelne*n drängender.
Ein Großteil der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen wird durch den Verkehr verursacht, durch den Transport von Personen und Waren. Damit trägt der (internationale) Verkehr erheblich zum Klimawandel bei. Von der Verkehrssteigerung gehen massive Belastungen für die Umwelt und Gefahren für die menschliche Gesundheit aus; der enorme Flächenverbrauch für Verkehrswege und Stellplätze sowie der Verkehrslärm sind weitere Probleme.
So scheinen sich Mobilität, insbesondere die internationale Mobilität, und ökologische Nachhaltigkeit in einem unüberbrückbaren Konflikt gegenüber zu stehen.
Aus diesem Grund gibt es vermehrt Anstrengungen und auch Möglichkeiten, mobilitätsbedingte Umweltbelastungen zu reduzieren, ohne dabei (gänzlich) auf den Transport von Personen und Waren, auf das Reisen – privat oder beruflich – verzichten zu müssen. Alternativen zum gewohnten Handeln anzunehmen und in den Alltag zu integrieren, liegt in der Hand jeder*s Einzelnen sowie auch von Unternehmen, Institutionen etc. – und dies quer durch alle gesellschaftlichen Bereichen.
In künstlerischen Prozessen und Werken werden Fragen zu Umweltbelastungen, Ressourcenknappheit und Klimawandel seit jeher thematisiert. Doch auch jenseits der künstlerischen Auseinandersetzung mit diesen Themen entwickelt sich im Kunst- und Kulturbereich in den letzten Jahren ein kritischer Diskurs zu Produktionsweisen und ökologisch verantwortlichem Arbeiten. Insbesondere die internationale Mobilität der Kulturakteur*innen und des Publikums ist davon betroffen: Einerseits gelten der Austausch von Theater- und Tanzproduktionen, von Ausstellungen und Kunstwerken, Konzertreisen wie auch die Mobilität von Künstler*innen und Besucher*innen als selbstverständlich und erstrebens- und damit auch für Fördereinrichtungen als unterstützenswert. Andererseits sind sie mit dem Anspruch eines ressourcenschonenden Arbeitens nicht immer leicht zu vereinbaren.
Wo finden sich im Kulturbereich alternative, umweltfreundlichere Ansätze in der künstlerischen Produktion, Ideen zum ressourcenschonenden Arbeiten, Tipps und Erfahrungswerte zum umweltbewussten Reisen? Zahlreiche Handbücher, Leitfäden und Guides für die verschiedenen Kunst- und Kulturbereiche sind in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden.
Allen voran seien die Publikationen von Julie's Bicycle genannt. Julie’s Bicycle ist eine britische Initiative, die seit 2007 die Lücke zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Kultur- und Kreativwirtschaft zu reduzieren versucht. Angeboten werden Webinare zum Thema, Fallstudien konnten durchgeführt und verschiedene Forschungsprojekte zum Thema Nachhaltigkeit und Mobilität auf den Weg gebracht werden, u. a.:
der Green Mobility Guide für den Bereich der Darstellenden Kunst, gemeinsam mit On the Move;
das Green Dance Fact Sheet mit Tipps für den Wandel hin zu einem ökologisch nachhaltig arbeitenden Tanzsektor, darin u. a. Tipps für ‚grünes Touring‘;
ein Forschungsprojekt zum Umgang mit Kohlenstoffintensität durch Touring im Theaterbereich: Moving arts – Managing the carbon impacts of our touring Volume 3: THEATRE;
den Green Visual Arts Guide, der ausgehend von der Bildenden Kunstszene Londons u. a. Empfehlungen zu Reisen und Transporten bereitstellt, um die Arbeitsweisen in den Bildenden Künsten ‚grüner‘ zu gestalten (in Kooperation mit Frieze London und dem Bürgermeister Londons);
den Audience Travel Guide, der Kunstschaffenden Tipps und Anregungen bietet, ihr Publikum über umweltbewusstes Anreisen zu informieren.
der D’Art 34b Report von Julie’s Bicycle und der International Federation of Arts Councils and Culture Agencies (IFACCA), der das Engagement nationaler politischer Entscheidungsträger rund um den Globus untersucht, good practice-Beispiele vorstellt und Empfehlungen für eine bessere Einbindung ökologischer Nachhaltigkeit in kulturpolitische Prozesse bereit hält.
Auch andere Organisationen haben Arbeiten in dem Bereich veröffentlich, bspw.:
Der Green Touring Guide, ein Projekt von Studierenden der Popakademie Baden-Württemberg, in Kooperation mit der Green Music Initiative und kollektif. Der Leitfaden richtet sich an Musiker*innen, Künstler- und Tourmanager*innen, Veranstalter*innen und Booking-Agenturen, die sich für das Thema Nachhaltigkeit im Band-Kontext interessieren.
Die Studie Greening The Arts, die TippingPoint Australia bereits 2010 veröffentlichte.
Der ÜBER LEBENSKUNST.Leitfaden, der im Rahmen des gleichnamigen Initiativprojektes der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt (Berlin) entstand. Dieser bietet kurze und prägnante Empfehlungen, wie in den verschiedenen Phasen eines Kunst- oder Kulturprojektes ökologisch nachhaltiger gehandelt werden kann – darunter auch Tipps zur nachhaltigen Mobilität.
Sustaining Great Art; der Environmental Report 2015/2016 des Arts Council England bietet einen Überblick über Initiativen und Entwicklungen in England. Die Mobilität ist darin ein Aspekt neben anderen.
Den Guide to Measuring your Travel sowie den Guide to Measuring Audience Travel von Creative Carbon Scotland zur Erhebung von Daten des eigenen Reisens bzw. des Publikums.
Rund um den Globus gibt es unzählige kleine und große Projekte und Initiativen, die von Künstler*innen, Kreativen und Kulturschaffenden auf den Weg gebracht werden und die künstlerisches Schaffen mit Blick auf die Umwelt hinterfragen (vor allem die eigene Tätigkeit), Alternativen aufzeigen und die im eigenen Tun mit gutem Beispiel voran gehen. Sensibilisieren und Nachahmer finden ist dabei oftmals die Devise. Einige engagierte Beispiele der letzten Jahre werden hier vorgestellt.
Eine Initiative im Bereich Kunst und Klimawandel ist das internationale non-profit Programm Cape Farewell (London und Toronto). Das Netzwerk arbeitet an Großprojekten, die Kunst, Wissenschaft und Technologie vereinen, um gesellschaftliche Zukunftsvisionen gegen den Klimawandel zu vermitteln: Festivals, Kunst im öffentlichen Raum, Expeditionen, Vorträge gehören in das Programm; auch ein Artist-in-Residence-Programme wurde auf den Weg gebracht etc.
Enger Partner von Cape Farewell ist die französische Initiative COAL (Coalition for Art and Sustainable Development), die Künstler*innen und Kulturinstitutionen für soziale und ökologische Belange mobilisiert. COAL unterstützt u. a. die Umsetzung von Kunstprojekten, die Aufmerksamkeit schaffen und konkrete Lösungen umsetzen, zum Beispiel durch Ausstellungen, Events oder durch den COAL Prize Art and Environment.
Die Green Art Lab Alliance GALA (2013-2015) war ein Zusammenschluss von 19 europäischen Kulturorganisationen, der die Möglichkeiten ökologisch nachhaltigen Arbeitens in den Bereichen Bildende Kunst und Design untersucht hat.
Ein Beispiel dafür, ökologische Nachhaltigkeit als Leitprinzip im alltäglichen Betrieb zu verankern, ist das Tate Museum in Großbritannien. In Zusammenarbeit mit dem Carbon Trust konnte das Haus die eigenen Faktoren für CO2-Emissionen identifizieren und einen Plan zur Reduktion ausarbeiten. Neben der Reduktion des Wasser- und Energieverbrauchs sowie der Müllproduktion, geht es dem Museum auch darum, den CO2-Fußadruck zu schmälern, der durch das Anreisen der Besucher*innen entsteht. So finden sich bspw. auf der Homepage alternative Anreisemöglichkeiten – wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad.
Die schottische Initiative Creative Carbon Scotland bietet Künstler*innen und Kreativen sowie Kunstorganisationen Unterstützung v. a. zur Messung und Reduktion von Kohlendioxidemissionen – in Form von Workshops, Handbüchern und Richtlinien. Mobilität ist hierbei ein zentrales Thema: Creative Carbon Scotland hat bspw. eine eigene Travel Policy entwickelt, die anderen Organisationen als Blaupause dienen kann; ferner einen Guide to Measuring Audience Travel. Auf der Website finden sich außerdem Fallbeispiele für den Bereich Touring sowie Richtlinien und Tools zur Messung und Sammlung von Daten das eigene Reisen betreffend.
Creative Climate Leadership, EU-gefördertes Projekt (2016-2018), koordiniert von Julie’s Bicyc
Green Music Initiative, internationale Plattform zur Förderung einer klimaverträglichen Musik- und Entertainmentbranche
Bericht zum GALA-Workshop Green issues for the sustainable support of cultural mobility, Berlin, März 2014
Nachhaltigkeit trainieren!, ein Projekt des ITI – Deutschland und der Kulturstiftung des Bundes, 2014
Umwelterklärung 2015 der Kulturstiftung des Bundes
Politik & Kultur, Zeitung des Deutschen Kulturrates, 3/2016; darin: Anthropozän, S. 19ff
Publikation: Art for the Planet’s Sake, International Network for the Performing Arts – IETM, 2015
Sustainable Business Travel, Stadt London in Kooperation mit Transport for London; ökologische Kriterien und Alternativen für Reisen und Dienstreisen
Festival Tollwood, Kulturfestival in München, das sich gleichzeitig als Forum für Ökologie und Umweltbewusstsein versteht
Museums Association: Informationen und weiterführende Links, u. a. Liste von Organisationen, die Nachhaltigkeit im Museumswesen fördern, Fallbeispiele führender Museen und Galerien in Großbritannien
Arts Earth Partnership (AEP), Zertifizierungsprogramm im Bereich ökologische Nachhaltigkeit; bietet Kultur- und Kunstorganisationen sowie Künstler*innen praktische Tipps für ein umweltbewusstes Arbeiten – u. a. auch zum Thema Transport