Urheberrecht » Spezialfälle in Tanz und Theater
Ausübende Künstler*innen haben ein eigenes absolutes Recht an den Darbietungen, an denen sie beteiligt waren. Zum Kreis der ausübenden Künstler*innen im Bereich der darstellenden Kunst zählen insbesondere Schauspieler*innen, Tänzer*innen, Musiker*innen sowie der*die Theaterregisseur*in. Eher nicht zum Kreis der ausübenden Künstler*innen gehören die technischen Direktor*innen, die Intendant*innen, die Maskenbildner*innen, die Ballettdirektor*innen und die Beleuchter*innen.
Den ausübenden Künstler*innen stehen Urheberpersönlichkeitsrechte und Verwertungsrechte zu. Danach hat der*die ausübende Künstler*in vor allem das ausschließliche Recht, ihre bzw. seine Darbietungen auf Bild oder Tonträger aufzunehmen und die Darbietung öffentlich zugänglich zu machen oder zu senden. Sind mehrere ausübende Künstler*innen an einer Produktion beteiligt, etwa die Tänzer*innen einer Tanzkompanie, steht ihnen das Recht zur Verwertung nur gemeinsam zu.
Beispiel:
Ein Tanzhaus (Veranstalter) zeichnet eine in Deutschland entstandene und zur Aufführung gebrachte Produktion auf und will die DVD vertreiben. Was muss mit den internationalen Künstler*innen, die in der Produktion als ausübende Künstler*innen beteiligt sind, vertraglich geregelt werden? Spielen hier Verwertungsgesellschaften (VGL) mit hinein?
Es muss mit den internationalen Künstler*innen ein Vertrag geschlossen werden, in dem dem Veranstalter das Recht eingeräumt wird, die Darbietung aufzunehmen und die Darbietung anschließend auf DVD zu verbreiten. Dabei muss auch festgelegt werden, wo (in welchen Ländern) die Verbreitung stattfinden soll und ob die Verbreitung nur über DVD oder unter Umständen auch über das Internet bspw. mittels Video-on-Demand stattfinden soll. Gleiches gilt aber auch für den umgekehrten Fall, dass eine Tanzkompanie zum Beispiel ihre Aufführung auf DVD an einem Veranstaltungsort aufnehmen möchte. Dann muss ein Vertrag mit dem Veranstalter abgeschlossen werden. Dem Veranstalter kommt nämlich nach § 81 UrhG gemeinsam mit den ausübenden Künstler*innen ein Leistungsschutzrecht an dem von ihm veranstalteten Event zu.
Quellen- und Vertiefungshinweise:
Wandtke, Artur-Axel (Hrsg.) - Urheberrecht, 3. Auflage 2012.
Wandtke, Artur-Axel/Bullinger, Winfried - Kommentar zum Urheberrechtsgesetz, 3. Auflage 2009.
Beispiel:
Ein dramatisches Stück einer noch lebenden Autorin wird unter ihrem Namen und dem Originaltitel extrem verkürzt und ihrer Aussageabsicht entgegenstehend zur Aufführung gebracht. Welche Rechte hat die Autorin, welche Freiheiten der Interpretation ein Regisseur?
Ohne die Einräumung eines Bearbeitungsrechts durch die Autorin ist eine Kürzung des Stückes unzulässig. Ebenso ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Form des Aufführungsrechts (gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 19 UrhG) betroffen. Daneben liegt auch eine Entstellung vor, da die Aussageabsicht der Autorin nicht erhalten bleibt.
Welche Freiheiten bleiben dann dem Regisseur, um seine Inszenierungskunst auszuleben und den Schauspieler*innen interpretatorische Freiheiten zu lassen? Dieses Spannungsverhältnis von Werkschutz und Inszenierungskunst ist ein schwer abgrenzbarer Graubereich, der oft an die Grenzen des Urheberrechts stößt. Es ist daher schwierig, allgemeinverbindliche Aussagen zu treffen. Richtig ist, dass man in jedem Fall eine Bearbeitungslizenz braucht, wenn man erhebliche Kürzungen am Ursprungswerk vornimmt. Ab wann ist aber die Interpretation eines vorgegebenen Werkes eine urheberrechtlich relevante Handlung, die über das Aufführungsrecht nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 19 UrhG hinaus geht? Eine wenig befriedigende, aber wohl zutreffende Aussage ist in diesem Fall, dass die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes nicht ausreichend die besondere Sachlage bei Inszenierungen von Bühnenwerken durch nachschaffende Künstler*innen berücksichtigen. Es gibt keine gesetzlich definierte Interpretationsfreiheit des Regisseurs. Fakt ist aber, dass kaum eine Inszenierung ohne unmittelbare Eingriffe in die Textsubstanz, wie Sprachglättungen, kleine Kürzungen oder Umstellung im Handlungsablauf, auskommt. Eine Bearbeitung und damit eine einwilligungsbedürftige Handlung liegen zumindest im Bereich der Veränderung eines Bühnenwerkes vor, wenn das Werk ohne Zustimmung der Autorin durch die Gestaltung der Aufführung in seinen wesentlichen Zügen verändert wird. Bei der Frage, wann diese wesentlichen Züge betroffen sind, gilt die Auffassung der Autorin zumindest dann, wenn die vom Regisseur gewünschte Form das Werk in seinem wesentlichen Aussagegehalt verändert.
Es handelt sich stets um Einzelfallentscheidungen – vom Grunde her sind aber der interpretatorischen Freiheit des*r Regisseur*in und der Schauspieler*innen vom Urheberrecht relativ strenge Grenzen gesetzt, denen man nur durch eine sehr weitreichende, gut beschriebene Einräumung eines Bearbeitungsrechts begegnen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht bei erheblichen Änderungen in Form des Entstellungsrechts nach § 14 UrhG betroffen sein kann.
Artikel "Wert des Tanzes: Notizen zum Urheberrecht." Von Madeline Ritter und Rupert Vogel.
Erschienen in GRUR Prax. Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Ausgabe 24/2012 vom 14. Dezember 2012.