Sozialversicherung » Sozialversichert in Europa

Sozialversichert innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz

Beispiel:
Eine deutsche freischaffende Künstlerin geht für mehrere Monate nach Tschechien, um dort zu arbeiten. Bleibt sie weiterhin in Deutschland versichert? Gibt es ein einheitliches Sozialversicherungssystem in Europa?

Die nationalen Sozialversicherungssysteme in Europa unterscheiden sich stark voneinander. Die Länder der Europäischen Union können frei darüber entscheiden, wer nach den eigenen nationalen Rechtsvorschriften versichert werden soll und welche Leistungen man zu welchen Bedingungen erhält. Um der Mobilität und Freizügigkeit von Selbständigen, Arbeitnehmer*innen und generell allen EU-Bürger*innen innerhalb der Europäischen Union Rechnung zu tragen, gelten die besonderen Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Diese koordinieren jedoch lediglich die nationalen Rechtsvorschriften, ohne sie zu harmonisieren. Zum Zweck der Koordinierung wurden u.a. die Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK, englisch: EHIC) und andere einheitliche Dokumente eingeführt, um Ansprüche auf Sozialleistungen in anderen Ländern geltend zu machen. 

Für die soziale Sicherung der freischaffenden Künstlerin gelten die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaates. Wie alle mobilen Erwerbstätigen unterliegt sie grundsätzlich den Rechtsvorschriften desjenigen Landes, in dem sie tatsächlich beschäftigt oder selbständig erwerbstätig ist (in diesem Beispiel Deutschland).

Bei einer vorübergehenden Tätigkeit bis zu 24 Monate in einem anderen Mitgliedstaat bleibt die Künstlerin im Sozialversicherungssystem ihres Ursprungslandes, hier Deutschland, versichert. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip der Entsendung: Arbeitnehmer*innen können vom Arbeitgeber vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden; selbstständig Tätige können sich selbst entsenden. Das Prinzip der Entsendung gilt für Tätigkeiten im EU-Ausland bis zu 24 Monate.
Beabsichtigt die Künstlerin eine Tätigkeit von mehr als 24 Monaten, unterliegt sie vom ersten Tag an dem Sozialrecht des anderen Staates, in diesem Beispiel dem tschechischen. In besonderen Fällen kann eine Ausnahmevereinbarung zwischen Sozialversicherungsträgern geschlossen werden, wonach sie auch über einen längeren Zeitraum im Sozialsystem ihres Herkunftsstaates verbleiben kann. 
Übt ein*e Arbeitnehmer*in eine Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten –  zum Beispiel in den Grenzgebieten – gleichzeitig aus, darunter auch eine substanzielle Beschäftigung im Wohnsitzstaat, gilt das Sozialrecht des Wohnsitzstaates. Hierüber entscheidet der Sozialversicherungsträger des Wohnsitzstaates. 

Die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme gründet sich auf vier Grundprinzipien:

  1. Es gelten immer nur die Rechtsvorschriften eines einzigen Landes. Dort werden auch die Beiträge entrichtet. Hier besteht keine Wahlmöglichkeit für die Versicherten; die Sozialversicherungsträger entscheiden darüber, welche Rechtsvorschriften in welchem Fall anzuwenden sind.
  2. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung: Für die*den entsandte*n Arbeitnehmer*in gelten dieselben Rechte und Pflichten wie für die Angehörigen des Landes, in dem man versichert ist. 
  3. Wenn man eine Leistung beansprucht (zum Beispiel Arbeitslosenunterstützung, Rente), werden die früheren Versicherungs‑, Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten in anderen Ländern angerechnet.
  4. Besteht ein Anspruch auf Geldleistungen in einem Land (Rente, Arbeitslosenunterstützung, Pflege), so kann dieser grundsätzlich auch in einem anderen Land erhalten werden. Das ist der Grundsatz der Exportierbarkeit.

Einen Überblick über die Rechte bei Aufenthalten in anderen Mitgliedstaaten können der Informationsbroschüre Die EU-Bestimmungen über die soziale Sicherheit entnommen werden. 

Eine Übersicht des britischen National Health Service über die nationalen Gesundheitssysteme der EU-Staaten sowie Island, Norwegen und Liechtenstein (inklusive praktischer Informationen zum Gesundheitssystem in den Ländern des EWR) findet sich hier (auf Englisch).

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